Am 14. Juni werde ich wie jedes Jahr, seit ich in der Schweiz bin, auf die Strasse gehen. Ich bin Alessandra, komme aus Italien und arbeite als Servicemitarbeiterin in zwei Züricher Gemeinschaftszentren. Daneben leite ich als Selbstständige ein Projekt zur Förderung von Dokumentarfilmen aus der Region Emilia-Romagna. Ich bin, seit ich denken kann, Feministin und habe mich immer gegen den italienischen Machismo zur Wehr gesetzt.
Es hat mich sehr überrascht, dass die Schweiz in Bezug auf Gleichberechtigung kaum weiter ist und wieviel noch passieren muss, bis Männer und Frauen gleichberechtigt leben können. Bevor ich in die Schweiz kam, dachte ich, dass die Arbeitsbedingungen hier im Allgemeinen perfekt sind und die Frauen all die Rechte, die ihnen auf dem Papier zustehen, auch in der Realität besitzen. Doch offenbar müssen wir auch hier aktiv werden. Weil wir Alle Teil derselben Gesellschaft sind, weil die Anforderungen und Ziele allen gemeinsam sind und dies unabhängig von der Art der ausgeführten Arbeit. Denn gemeinsam können wir auch auf politischer Ebene mehr Gewicht haben. Die Umsetzung eines echten Gleichstellungsplans, wird heute immer notwendiger und grundlegender, insbesondere wenn man bedenkt, dass viele Frauen mit geringem Einkommen und unter äußerst prekären Bedingungen arbeiten.
Ebenso beim Problem der geschlechtsspezifischen Gewalt. Es ist wichtig, dass in Schulen und am Arbeitsplatz mehr Prävention und Aufklärung betrieben wird. Die Institutionen und die verschiedenen aktiven Sozialpartner, müssen die Umsetzung von Massnahmen fördern, die darauf abzielen, die Debatte über das Thema geschlechtsspezifische Gewalt zu erweitern, sowie Massnahmen zur Reduzierung des Problems ergreifen. Und ein erster Schritt besteht darin, die prekären Arbeitsbedingungen für Frauen so weit wie möglich abzubauen.
Wie ist es sonst möglich, dass 2024 immer noch sexualisierte Belästigung am Arbeitsplatz zum Alltag vieler Frauen gehört? Viele meiner Kolleginnen im Service kennen die anzüglichen Blicke, die übergriffigen Sprüche an der Bar und dann und wann der unerwünschte Klapps auf den Po. Wir kennen leider alle auch die Chefs, die abwiegeln und uns nicht ernst nehmen, wenn wir übergriffiges Verhalten der Kunden reklamieren, obwohl es ihre Verantwortung wäre, uns vor Belästigungen zu schützen.
Diesen 14.Juni bin ich mit den anderen Unia-Frauen an der Bäckeranlage, wo wir zusammen einen Selbstverteidigungsworkshop veranstalten, um uns gemeinsam gegen Belästigungen zu wappnen und uns gegenseitig Mut zu machen. Wir haben das Recht uns zu wehren und das geht am besten zusammen. Ich bin davon überzeugt, dass wir nur etwas bewegen, wenn wir uns zusammentun. Daher engagiere ich mich bei der Unia. Ich bin aktiv in der Unia-Frauengruppe und in der Gastrogruppe. Ausserdem machen bei La Fabrica mit, einem Zusammenschluss der italienischen Community in Zürich.
Dieses Jahr liegt der Schwerpunkt meines Engagements bei der Unia auf dem Kampf gegen sexualisierte Belästigung. Ganz klar, dass ich am 14. Juni mit dabei bin und mich auf einen tollen Workshop und eine grosse und laute Demo freue.
Alessandra Cesari, Aktivistin der Unia Zürich-Schaffhausen